Der Boden knirscht, sobald man über den an vielen Stellen schon eingefallenen Zaun klettert. Man tritt auf Glasscherben, auf Plastikfetzen und Geröll. Vermüllte, karge Flächen verbinden die Überbleibsel des Freizeitparks „Childrens World“.
Das Gelände scheint ein Friedhof zu sein, doch es war ein Ort der kalkulierten Freude. Die Arbeiter des Kraftwerks in der Stadt Elektrenai sollten einen Ort haben, der sie aus ihrem harten Alltag reißt. Der sie für ihren kurzen Augenblick die grauen Mauern des Kraftwerks vergessen lässt.
Kurz nachdem man die Glasscherben überschritten hat, blickt man direkt auf das große Riesenrad. Graffitis zieren seine Mauern, die halb aufgesprungen ihr Innenleben präsentieren. Noch vor ein paar Jahren stiegen Familien in das Riesenrad. Bei fröhlicher Musik machten sie sich im Arm liegend auf in den Himmel und genossen den Blick über ihre Stadt, Elektrenai, die zusammen mit dem Kraftwerk 1962 gegründet wurde. Die Grundlage ihres Lebens. Der Mittelpunkt ihrer Welt. Der Blick währte nur kurz, dann ging es bereits wieder abwärts. Ein dichter Baumbestand blockiert den Blick in den Park und aus ihm hinaus.
Im Kettenkarusell gleich daneben flogen die glücklichen Kinder durch den Wind. Noch schneller, noch höher! Oder ganz hoch?
Der Griff nach den Sternen war in den Raketen so nah wie nie. Sie wippten beim Einstieg der Kinder, fingen an, sich im Kreis zu drehen. Hoch und runter. Wenn man die Augen schloss, fühlte man sich wie ein Kosmonaut. Wie Juri Alexejewitsch Gagarin. Der erste Mensch im Weltraum, ein gefeierter Held der Menschheit. Er starb sieben Jahre nach der Umrundung der Erde bei einem Übungsflug.
Nur wenig weiter könnte ein Clown Luftballons verkauft haben, während er an der Drehorgel ein Lied für die Besucher spielte. „Kommt näher, kommt näher. Hört die elektrisierende Musik von Elektrenai! Tanzt, tanzt, tanzt!“ Tanzt wie die Boxautos, die immer wieder gegeneinanderprallten, sich abstießen und wiederfanden, neue Formationen bildeten. Ein Tanz der Moleküle. Bis kein Partner mehr übrig war.
Immer noch groß zu lesen ist der Name der Achterbahn. „Jet Star 2“. Ein Ungetüm aus verworrenen Stahlsäulen. Unzählige Kurven und Neigungen verlangten viel von den Fahrern, ständige Richtungswechsel, ein Auf und Ab. Ein Düsenjet. Bis zu den Sternen.
Bis zu der Walzerbahn. Man meint, immer noch das dumpfe Rattern der Bahn zu hören, wie sie im Dom ihre Bahnen zieht. Die Holzplaketten beim Einstieg zitterten von ihrer Fahrt, die in gleichmäßigem Rhythmus auf und ab führte. Mal schneller, mal langsamer. Bis sie ihre letzte Fahrt beendete. Die Holzplaketten wurden langsam spröde. Ein tiefer Riss zeigt inzwischen wie ein mahnender Finger auf die Walzerbahn, die ihren letzten Tanz in einem Feuer beendete.
„Childrens World“, der Freizeitpark, der für die hart arbeitenden Bevölkerung des Öl- und Gasturbinenkraftwerks in Elektrenai Ablenkung und Zerstreuung bringen sollte, wurde 2013 geschlossen. Viele technische Mängel und die damit verbundene Vorfälle führte zum Ende des Parks.
Es war ein Ort des Lachens. Ein Farbklecks im Leben der Kraftwerkarbeiter von Elektrenai.
Heute ist es ein Friedhof der Freude. Abandoned Amusement.